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Flüchtlingsboot: wenige überlebten

Pierre Bonnard | 10.05.2011 12:28 | Guantánamo | Anti-militarism | Anti-racism | Terror War | Cambridge | Oxford

Nur wenige überlebten Odyssee ........ Nur neun Menschen haben die Odyssee eines aus Libyen kommenden Flüchtlingsbootes mit 72 Afrikanern an Bord überlebt. Dabei hatten sie Kontakt mit einem Militärhubschrauber und waren in Sichtweite eines NATO-Flugzeugträgers. Auch ein Hilferuf der italienischen Küstenwache blieb ohne Folgen. Nun erheben die Überlebenden schwere Vorwürfe. Das Schiff hatte am 25. März Tripolis in Richtung der italienischen Insel Lampedusa verlassen, berichtete die britische Zeitung „Guardian“. Bereits nach 18 Stunden auf dem Meer gab es Probleme mit der Maschine. Über das Satellitentelefon an Bord wurde unter anderen der Geistliche Moses Zerai kontaktiert, der in Rom die Flüchtlingsorganisation Habeshia leitet. Dieser alarmierte die italienische Küstenwache, die einen Hilferuf aussandte.

NATO liess Boots-Flüchtlinge verhungern
NATO liess Boots-Flüchtlinge verhungern


Militärhelikopter half nur kurz: Wenig später sei bereits ein Militärhubschrauber zu dem Schiff gekommen, heißt es weiter. Die Soldaten warfen Wasserflaschen und Kekse ab und signalisierten, man sollte die Position halten, bis Hilfe kommt. Doch diese kam nie an. Kein Land hat bisher zugegeben, dass einer ihrer Militärhelikopter Kontakt zu den Flüchtlingen hatte. Von der italienischen Küstenwache hieß es, man habe Malta informiert und zu einer Hilfsaktion aufgefordert. Die Behörden des Inselstaats dementieren aber jeglichen Kontakt mit dem Schiff.

An Bord ging daraufhin der Sprit aus, das Boot trieb auf hoher See. Auch Wasser und Lebensmittelvorräte gingen aus. Der Kapitän glaubte, bereits in der Nähe Lampedusas zu sein, und beruhigte die Passagiere – ein fataler Fehler.
Flugzeugträger ignorierte Schiff: Rund um den 29. oder 30. März gelangte das Schiff schließlich in die Nähe eines Flugzeugträgers, dessen Besatzung das Flüchtlingsboot mit Sicherheit gesehen haben müsse, berichten Überlebende laut „Guardian“. Zwei Militärmaschinen hoben ab und überflogen das Boot, an Bord versuchten die Menschen ihre missliche Lage zu signalisieren. Doch erneut blieb die Hilfe aus, das Schiff trieb vom Flugzeugträger wieder weg.

Laut „Guardian“-Recherchen musste es sich bei dem Flugzeugträger um „Charles de Gaulle“ aus Frankreich handeln. Die französische Marine dementierte zunächst, in der Region gewesen zu sein. Daraufhin wurde jeder weitere Kommentar verweigert. Auch die NATO stritt die Vorwürfe ab.
Passagiere starben nach und nach

In den folgenden zehn Tagen starben nach und nach die erschöpften Menschen, mehrheitlich Flüchtlinge aus Äthiopien, der Rest stammte aus Eritrea, Nigeria, Ghana und dem Sudan, an Bord. Mit den letzten Wasserreserven wollte man noch zwei Babys retten, nachdem ihre Eltern gestorben waren. Doch auch das sei misslungen, berichtete der 24-jährige Äthiopier Abu Kurke, einer der wenigen Überlebenden, der sich zuletzt noch von zwei Tuben Zahnpasta ernährte. Jeden Tag in der Früh habe man wieder Tote entdeckt und diese nach 24 Stunden über Bord geworfen. ............. M E H R:  http://orf.at/stories/2057338/2057361/ ............. Am 10. April wurde das Schiff wieder an der libyschen Küste nahe der Stadt Slitan angeschwemmt. Von den 71 Menschen, darunter 20 Frauen, hatten nur elf überlebt. Ein Flüchtling starb laut „Guardian“ an Land, ein weiterer kurz danach im Gefängnis, nachdem er von libyschen Regierungstruppen festgenommen worden war.
Untersuchung gefordert: Das internationale Seerecht verpflichtet alle Schiffe, auch militärische, auf Notrufe in der Nähe zu reagieren und wenn möglich Hilfe anzubieten. Hilfsorganisationen verlangen eine Untersuchung des Vorfalls. Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR)
verlangt eine bessere Zusammenarbeit von kommerzieller und militärischer Schifffahrt im Mittelmeer, um Menschenleben zu retten. „Das Mittelmeer darf nicht zum Wilden Westen werden“, so Sprecherin Laura Boldrini. Diejenigen, die Hilferufe ignorieren, dürften nicht ungestraft davonkommen. Publiziert am 10.05.2011  http://orf.at/stories/2057338/2057361/


Links:

„Guardian“-Artikel  http://www.guardian.co.uk/world/2011/may/08/nato-ship-libyan-migrants
NATO  http://nato.int/
UNHCR  http://www.unhcr.org/



Pierre Bonnard